«Die Winter- und Weihnachtszeit ist herausfordernd»

Die Sozialarbeiterin Valerie Jordi von Pro Senectute Kanton Zürich moderiert eine Gesprächsgruppe in Meilen. Dabei tauschen betreuende Angehörige ihre Erfahrungen aus und suchen gemeinsam nach Lösungen. Im Interview erzählt sie von achtsamer Moderation, der Kraft eines Begegnungsorts und Momenten tiefer Verbundenheit.

Valerie Jordi, Pro Senectute Kanton Zürich

Wie läuft eine Gesprächsgruppe für betreuende Angehörige bei Ihnen ab?

In die Gesprächsgruppe, die ich in Meilen moderiere, kommen Angehörige von Menschen mit Demenz – Partnerinnen und Partner oder Geschwister. Auch schon haben Kinder von Betroffenen die Gruppe besucht. Wir treffen uns einmal im Monat für 2 Stunden.

Zu Beginn gibt es eine Begrüssungsrunde und ich erkundige mich, ob es dringende Anliegen, Vorkommnisse oder Informationen gibt, die mit der Gruppe geteilt werden möchten. Danach sind die Abläufe nicht immer gleich. Wenn jemand ein Thema einbringt, das auf grosses Interesse stösst, verweilen wir länger dort. Manchmal berichten die Teilnehmenden der Reihe nach von ihren aktuellen Situationen und können sich dazu austauschen. Oft stellen die Teilnehmenden auch Fachfragen, zum Beispiel zu konkreten Entlastungsangeboten, rechtlichen Unklarheiten oder zu finanziellen Ansprüchen. Diese erörtern und klären wir gemeinsam.

Meine Rolle ist dabei die Moderation der Gruppe. Ich gebe aber keine festen Strukturen vor und lasse Raum für den Austausch unter den Angehörigen.

Warum ist der begleitete Erfahrungsaustausch für Angehörige so wertvoll?

Das Gruppensetting ist wichtig für den Austausch unter Gleichbetroffenen, der geprägt ist vom gegenseitigen Verständnis für die Situation. Oft erleben Angehörige in ihrem Umfeld Rückzug und Unsicherheit in Bezug auf den Umgang mit der erkrankten Person. Es ist für sie daher sehr wertvoll, einen Begegnungsort zu haben, in dem sie offen über die belastende Situation, den Umgang damit und über ihre Gefühle sprechen können und in der Gruppe aufgefangen werden.

In unserem Ratgeber erfahren Sie, worauf betreuende Angehörige besonders achten sollten.

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Wie schaffen Sie eine Gesprächs-Atmosphäre, in der sich die Teilnehmenden wohl fühlen?

Es braucht eine offene und wertschätzende Atmosphäre, eine Art «Schutzraum» unter Gleichbetroffenen. Damit dies gelingt, bemühe ich mich um eine achtsame Moderation. Eine Gruppe kann oft sehr heterogen sein in Bezug auf die Herkunft, Lebensgeschichte und Weltanschauung und es ist wichtig, dass sich alle gehört und aufgehoben fühlen und sich mit Wertschätzung und Respekt begegnen können. Eine Prise Humor gehört für mich auch immer dazu, trotz oder gerade wegen der oft auch belastenden Situationen, in denen die Angehörigen sich befinden. Dies wird sehr geschätzt.

Welche Momente aus den Angehörigengruppen bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?

Ich bin immer wieder tief beeindruckt von der Kraft, welche die Angehörigen trotz teils widriger Umstände stets aufs Neue aufbringen, um für die erkrankte Person da zu sein. Ich höre am Ende der Gesprächsgruppen oft von den Teilnehmenden, dass die «Auszeit» ihnen gutgetan hat und sie gestärkt nach Hause gehen, das freut mich jedes Mal. Es ist auch berührend zu sehen, dass aus dem Setting der Gesprächsgruppe Freundschaften entstehen, die auch ausserhalb dieses Rahmens gepflegt werden.

Hat die Winter- und Weihnachtszeit einen speziellen Einfluss auf die Gesprächsgruppe?

Die Winter- und Weihnachtszeit bringt für betreuende Angehörige einige Herausforderungen mit sich. Die kürzeren dunkleren Tage können ihre psychische Verfassung zusätzlich belasten, eventuell wird Einsamkeit deutlicher spürbar und die Traditionen der Festtagszeit können sie unter Druck setzen.

Aktuell sind in der von mir moderierten Gesprächsgruppe alle Personen christlichen Glaubens und feiern im Grundsatz die Advents- und Weihnachtsfesttage. In der letzten Gruppensitzung des Jahres Mitte Dezember thematisieren wir folgende Aspekte: Wie kann die Festtagszeit ohne Überforderung für die erkrankte Person oder die Angehörigen gelingen? Gibt es Entlastung? Wie können Traditionen gestaltet werden, damit sie für alle stimmig sind, oder muss etwas losgelassen werden?

Das sind schwierige Fragen, es ist aber hilfreich, diese im Vorfeld zu thematisieren und aufzugreifen. Und auch ein gemeinsames Anstossen in der Gruppe darf Platz haben, da es einen Moment der Verbundenheit und Freude in den strengen Alltag der betreuenden Angehörigen bringt.

Angehörigengruppen von Pro Senectute

Diverse Pro Senectute Organisationen bieten Angehörigengruppen an. Auch weitere Organisationen wie zum Beispiel Alzheimer Schweiz haben ähnliche Angebote.

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